Wie reagieren Sie bei Stress -  Kampf, Flucht oder...?

Einem Großteil von uns sind in Stresssituationen zwei Reaktionen bekannt: Kampf oder Flucht. Wenn wir Situationen erleben, die uns dazu einladen gestresst zu sein, erleben wir dies oftmals als unmittelbare Bedrohung. Wir reagieren darauf, indem wir Vorbereitungen treffen – entweder wir kämpfen mit aller Kraft, die in uns steckt oder aktivieren alles in uns, um so schnell wie möglich wegzurennen. Das Ganze passiert auf mehreren Ebenen: physiologisch, hormonell und emotional. Dabei sind unsere Reaktionen oft automatisiert – lediglich ausgelöst durch ein Telefonat oder eine unangenehme Nachricht per E-Mail.

Als ich das erste Mal davon hörte, dass Stressexperten diese ziemlich bekannten Reaktionen um eine dritte, weit verbreitete Reaktion ergänzten, ergab diese sofort Sinn für mich – die Erstarrung. Sicherlich kennt jeder von uns diese genannten Reaktionen und glücklicherweise eben auch Situationen, in denen wir die Einladung des gestresst seins nicht annehmen und gelassen bleiben.

Jeder hat eine persönliche „Lieblingsreaktion“
Oftmals gelingt uns das gelassen bleiben eben nicht. Immer wieder reagieren wir mit Kampf, Flucht oder Erstarrung. Die einen tendieren eher zum Kampf, andere zur Flucht und wieder andere zur Erstarrung. Zu meinen häufigsten Reaktionen zählt die Erstarrung, viel häufiger noch als das Wegrennen oder Kämpfen.
Wenn wir erstarren, verhalten wir uns wie das sprichwörtliche „Kaninchen vor der Schlange“. Wir versuchen uns unsichtbar zu machen. Ein bisschen ist es, als wenn meine kleine Enkeltochter meint, dass man sie nicht sehen könne, wenn sie sich die Hand vor die Augen hält. Wir stellen uns tot. Unserem inneren Autopiloten erscheint eine solche Reaktion oft am geeignetsten, wenn uns gerade nicht die Ressourcen zur Verfügung stehen, um eine solche Situation aktiv zu bewältigen.

Die innere Überflutung
Wenn wir nicht vollständig durchdingen, was gerade geschieht und Kontrollverlust erleben, befürchten wir oftmals innerlich überflutet zu werden. Eine vorübergehende Dissoziation, Abspaltung, Taubheit kann kurzfristig hilfreich sein. Sie kann unser inneres System vor Überflutung schützen, kann uns Zeit verschaffen für eine angemessene Reaktion. Erstarrung kann aber auch eine folgenschwere Fehlreaktion sein. Und auch wenn eine Erstarrung oder Abspaltung kurzfristig hilfreich sein kann, hat sie auf Dauer einen hohen Preis.


Verurteilen Sie Ihren „Autopiloten“ nicht
In der Stressforschung gibt es die Hypothese, dass kämpfen oder flüchten mit Hoffnungen verbunden sind, während Erstarrung eher mit Hoffnungslosigkeit zusammenhängt – und deshalb oft auch schwer zu bewältigen ist. Meine langjährige Neigung zu erstarren und unangenehme Gefühle lieber nicht wahrzunehmen oder sie wegzudrücken, ist langfristig überhaupt nicht hilfreich, um etwas in die gewünschte Richtung zu verändern. Oder um einen Unterschied zu machen. Gleichzeitig verurteile ich meine „Autopilot“- Reaktionen von Kampf, Flucht oder Erstarrung nicht mehr. Vielmehr sehe ich sie als zutiefst menschlich, auch wenn sie zunächst ein unangenehmes Gefühl auslösen können.

Das wichtigste Werkzeug für den Umgang mit Herausforderungen
In Verbindung gehen – nach innen wie auch nach außen.

Dieses Werkzeug ermöglicht uns, bewusst einen ressourcenvollen und kreativen Zustand abzurufen.  
Es ermöglicht uns, Achtsamkeit und (Selbst-)Mitgefühl entwickeln zu können. Wir werden immer wieder mit Herausforderungen konfrontiert, die uns zu unseren normalen Reaktionen einladen. Das können wir auch nicht vermeiden. Wir werden dabei auch immer wieder mit unserem „Autopiloten“ reagieren – aber immer seltener. Und wenn es doch passiert, finden wir viel schneller einen Weg heraus.
 
Systematisch und zuverlässig wieder in Verbindung zu gehen ist das, was ich in den letzten 20 Jahren gelernt, gelehrt und praktiziert habe. Wer diese besondere Art von Verbundenheit erlebt, wird auch in sehr herausfordernden Situationen schnell (wieder) handlungsfähig. Wir entwickeln einen Kontakt mit unserem Warum. Wir üben, nicht in automatischen Reaktionen stecken zu bleiben. Anstatt uns selbst zu verurteilen, entdecken und kreieren wir eine Menge von Handlungsmöglichkeiten.
Und mit etwas Übung entstehen plötzlich auch in Notlagen Spielräume, um mit unseren Werten und dem, was uns wirklich wichtig ist, in Kontakt zu bleiben. Wir handeln aus unserer inneren Stärke heraus, finden Unterstützung und sind wieder neu wirksam.